Arbeitsgruppe Wanderfalke in Bayern
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Biologie des Wanderfalken

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Der Wanderfalke (Falco peregrinus) ist ein etwa krähengroßer Greifvogel, der sich nahezu ausschließlich von Vögeln ernährt. Diese werden nur im Flug gefangen – meist mit spektakulären Steilstößen aus großer Höhe, bei denen die Wanderfalken nachweislich mehr als 300 km/h erreichen können.

Hauptbeutevögel sind bei uns in Mitteleuropa Tauben, Drosseln und Stare. Diese werden entweder bereits durch den harten Anprall des heranstürzenden Falken getötet oder durch einen gezielten Biss in den Nacken. Anders als die Adlerartigen (z. B. Adler, Bussarde, Habichte), die ihre Beute mit den Fängen töten, sind alle Falken Bisstöter.

Wanderfalke im Flug

Wanderfalke im Flug (Foto: J. Niederlechner)


Der Wanderfalke ist nahezu weltweit verbreitet (® "Wanderfalken – global & regional"), er fehlt lediglich in den Polar-Regionen und den Regenwald-Gebieten sowie in Neuseeland. Wie alle Falken, baut der Wanderfalke keinen eigenen Horst; meist werden die Eier auf Felsvorsprünge gelegt, manchmal werden auch Nester anderer Vögel genutzt. Bei uns in Deutschland brüten die meisten Wanderfalken an Felsen sowie zunehmend an menschlichen Bauwerken, die von den Falken quasi als "Ersatzfelsen" angenommen werden. Daneben gibt es seit einiger Zeit jedes Jahr einzelne Bodenbruten an der Nordseeküste sowie in zunehmendem Maße Baumbruten in Nordostdeutschland. Dort ist es dem "Arbeitskreis Wanderfalkenschutz" und dem "Deutschen Falkenorden" über ein Auswilderungsprojekt an künstlichen Baumhorsten gelungen, die früher hier ansässige Baumbrüter-Population wieder zu etablieren.



Fortpflanzung

Wanderfalken legen in der Regel 3-4 Eier. Die Eiablage erfolgt in Mitteleuropa meist Mitte März, die anschließende Brutzeit dauert gut 30 Tage. Nach dem Schlupf werden die Jungen von den Altfalken 5-6 Wochen mit Nahrung versorgt, bevor sie Ende Mai / Anfang Juni ausfliegen – die mit ca. 600 g deutlich leichteren Männchen ("Terzel") in der Regel einige Tage vor den etwa 900-1.000 g schweren Weibchen. Auch nach dem Ausfliegen werden die Jungvögel von ihren Eltern noch einige Wochen gefüttert. Während dieser sog. "Bettelflugphase" kann man Wanderfalken in der Regel am besten beobachten: Die Jungfalken fliegen den von der Jagd zurückkehrenden Altvögeln meist laut rufend entgegen. Zunächst wird die Beute von den Alten noch im Horstbereich und dessen Umfeld abgelegt; später wird sie dann meist in der Luft an die Jungen übergeben – um deren Jagdfertigkeiten zu steigern, lassen die Altvögel den Beutevogel dabei oft schon vor dem Zusammentreffen in die Tiefe fallen, so dass die Jungen gezwungen sind, auf die Beute zu stoßen.

Im Lauf des Sommers werden die Jungfalken dann zunehmend selbständig. Es folgt eine Phase, in der sie eher ungerichtet umherstreifen, bevor sie im Herbst Richtung Westen abziehen, um ihren ersten Winter in milderen Gebieten (v. a. Benelux-Staaten und Frankreich) zu verbringen. Im folgenden Jahr kehren sie in die Nähe ihres Geburtsortes zurück und bleiben ab dann ganzjährig in unseren Breiten. Obwohl Wanderfalken der Inbegriff von Mobilität sind, war ihre Wiederausbreitungsgeschwindigkeit nach dem Erlöschen vieler Vorkommen (s. u.) aufgrund dieser starken geografischen Rückorientierung der Jungfalken nur relativ gering. Die zurückkehrenden Wanderfalken können teilweise schon im Frühjahr nach ihrer Rückkehr – also rd. 1 Jahr alt und noch im Jugendkleid – erfolgreich brüten. In intakten Populationen dauert es jedoch meist einige Jahre, bis es ihnen gelingt, sich einen Brutplatz zu erobern.


Bestandesentwicklung

Vor etwa 30 Jahren stand der Wanderfalke in Deutschland am Rande des Aussterbens. Von den über 800 Paaren der Nachkriegszeit waren nur noch etwa 40 Paare übrig, welche sich im Wesentlichen auf nur zwei Restvorkommen in den Bayerischen Alpen und auf der Schwäbischen Alb verteilten. Auch in den meisten anderen Industriestaaten stand der Wanderfalke kurz vor dem Verschwinden oder war bereits ausgestorben, wie z. B. in den Benelux-Staaten oder in Dänemark.

Ursache waren Biozide wie das DDT, welche ab Ende der 1940er Jahre in der Landwirtschaft der Industriestaaten in zunehmendem Maße ausgebracht wurden. Der Hauptvorteil dieser Bekämpfungsmittel war aus Sicht der Landwirtschaft ihr geringer natürlicher Abbau, so dass die Stoffe lange wirkten. Diese hohe Stabilität führte jedoch dazu, dass sich die Gifte in den Nahrungsketten anreicherten. Vogeljäger wie der Wanderfalke stehen am Ende solcher Ketten und dementsprechend hoch war nach einigen Jahren ihre Belastung mit diesen Giftstoffen. Beim Wanderfalken führten die hohen DDT-Werte im Körper vor allem zu einer Störung des Kalk-Stoffwechsels. Die Weibchen legten dadurch sehr dünnschalige Eier, die fast immer bereits während der Bebrütung zerbrachen. In der Folge fiel die Reproduktion des Wanderfalken ab etwa 1950 in allen Industriestaaten dramatisch ab.

In den 1960er Jahren wurde die Gefährlichkeit des DDT glücklicherweise erkannt. Seine Anwendung wurde in der Bundesrepublik 1974 teilweise und 1977 schließlich ganz verboten. In der Folge erholten sich die Wanderfalken-Bestände zumindest in Westdeutschland etwa ab Mitte der 1980er Jahre. In der ehemaligen DDR wurde DDT dagegen deutlich länger ausgebracht, so dass die Bestandeserholung in Ostdeutschland um etwa 10-15 Jahre verzögert ablief; inzwischen ist sie aber auch dort auf einem guten Weg. Da die natürliche Wiederausbreitungsgeschwindigkeit des Wanderfalken aufgrund der starken geografischen Rückorientierung der Jungfalken relativ gering ist (s. o.), wurde die Wiederbesiedlung ehemaliger Verbreitungsgebiete teilweise durch Auswilderung gezüchteter Wanderfalken unterstützt und beschleunigt. Diese Auswilderungen fanden vor allem jenseits der natürlichen Rückzugsgebiete in Süddeutschland statt, d. h. in Westdeutschland nördlich des Mains sowie in Ostdeutschland.

Nachstehend ist die Bestandesentwicklung des Wanderfalken in Deutschland (BRD + DDR) im Zeitraum 1950 bis 2000 dargestellt.

Bestandesentwicklung des Wanderfalken in Deutschland (aus Kramer, 2003: "Zur Situation des Wanderfalken (Falco peregrinus) in der Bundesrepublik Deutschland")


Auch wenn es heute (Stand 2009) in Deutschland aufgrund der deutlichen Zunahme von Bauwerksbruten mit gut 1.000 Paaren sogar etwas mehr Wanderfalken als 1950 gibt, ist dieser Bestand dennoch erheblich anfälliger gegenüber Umweltveränderungen als damals. Warum?

Die obige Bestandesgrafik zeigt deutlich den Zusammenbruch des deutschen Wanderfalken-Bestandes von gut 820 auf lediglich rd. 40 Paare – dies entspricht einem Rückgang um mehr als 95%(!) in nur 25 Jahren. Bei derart drastischen Bestandesabnahmen sprechen Biologen von einem sog. "genetischen Flaschenhals", da bei solchen Ereignissen zahlreiche Erbinformationen für immer verloren gehen. Dadurch sinkt die genetische Variabilität der verbleibenden Population deutlich und damit auch die Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Umweltbedingungen.

So besteht heute die paradoxe Situation, dass Schutzmaßnahmen für den Wanderfalken trotz der deutlichen zahlenmäßigen Erholung immer noch sinnvoll sind. Hauptziel sollte dabei jedoch nicht eine weitere Erhöhung der Wanderfalken-Zahlen sondern eine bessere Vernetzung der einzelnen Vorkommen sein (® "Projekte").

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